Reden ist Silber, aktives Zuhören ist eine Goldschatzkammer

Aktiv zuhören

Zuhören, wirklich Zuhören, das ist eine hohe Kunst. Du denkst wohl, wenn du schweigst und deinen Partner sprechen lässt, ihn vielleicht dabei noch anblickst, dass du ihm zuhörst. Betrachtest du deine Gedankenwelt, dann erkennst du schnell, wie oft wir innerlich abschweifen und nur jedes dritte, vierte Wort hören. Oder wie wir ständig darauf warten, unsere bereits im Stillen vorformulierte Antwort ENDLICH aussprechen zu können. Das ist nicht wirklich Zuhören. Schlecht zuhören verursacht die grössten Kommunikationsschwierigkeiten in Liebesbeziehungen, mit unseren Kindern, Mitarbeitenden, Arbeitskollegen, Familienmitgliedern und Freunden.

Fast wie Zauberei

Aber es gibt eine Methode des Zuhörens, welche Kommunikation fast schon zauberhaft verbessern kann, gleichzeitig die Beziehung stärkt und für Vertrauen sorgt. Sie heisst aktives Zuhören. Tatsächlich beschränkt sich die Aktivität bei dieser Methode fast ausschliesslich aufs äusserst aufmerksame Zuhören und reine Wiedergeben des Gefühls, welches angekommen ist. Interpretationen, Analysen, Ratschläge, Meinungen und Bewertungen lassen wir dabei links liegen. Und genau das sorgt dafür, dass sich das Gegenüber gehört und wahrgenommen fühlt.

So geht aktives Zuhören

1. Du hörst ohne Unterbrechung mit offenen Ohren und ruhiger Mimik und Körpersprache zu. Du kannst dir vorstellen, dass du mit dem ganzen Körper zuhörst, so als wäre jede deiner Zelle mit Ohren ausgestattet, die auf dein Gegenüber gerichtet sind.

2. Signal für dein Zuhören ist dein offenes Gesicht und allenfalls ein gelegentliches Nicken. Immer wieder „ja, ja, jaja“ zu sagen kann den anderen bereits unter Druck setzen.

3. Wenn dein Gegenüber fertig ist, wartest du ab, ob noch mehr kommt. Spring nicht sofort in die Sprechlücke.

4. Spiegle deinem Gegenüber das Gefühl, welches bei dir angekommen ist ohne zu interpretieren, beurteilen oder analysieren. Und halte deine gut gemeinten Ratschläge unbedingt zurück. Wir meinen zwar immer, dass unser Gegenüber diese von uns erwartet. Doch viel eher sorgen sie dafür, dass sich der Erzählende abgespeist oder nicht verstanden fühlt.

5. Diese Runden machst du solange, bis alles gesagt werden konnte. Und was ist denn nun mit den tollen Ratschlägen? Finden diese nirgends ihren Platz? Diese solltest du streng genommen nur dann anbringen, wenn dich dein Gegenüber darum bittet. Allenfalls kannst du nachfragen, ob der Erzählende einen Ratschlag wünscht.

Zur Veranschaulichung ein Beispiel ohne aktives Zuhören: Du hattest einen harten Tag. Bei der Arbeit gab es Streit und zu Hause haben die Kinder pausenlos gestritten. Sobald die Kinder im Bett sind, freust du dich darauf, endlich mit deinem Mann über alles sprechen zu können. Er hört einen Moment lang zu, wippt dabei mit den Knien hin und her. Sobald du mal länger Luft holst, gibt er dir einen Ratschlag, wie du den Streit im Büro lösen könntest und zur Situation mit den Kindern sagt er, dass sie halt echt mühsam seien zurzeit. Dann steht er auf und geht die Zähne putzen. Du bleibst mit offenem Mund sitzen und fühlst dich komplett unverstanden und abserviert.

Gleiches Beispiel mit aktivem Zuhören: Du berichtest deinem Mann vom harten Tag. Er sitzt ruhig da, blickt dich an, hört aufmerksam zu, was er weniger durch Worte als durch leichtes Nicken von Zeit zu Zeit signalisiert. Er hat keine Eile deinen Bericht zu unterbrechen und lässt dir viel Raum. Als du fertig bist, beginnt er nicht sogleich zu sprechen, sondern zeigt durch einen offenen Blick und ein ruhiges „Hhmm“, dass er auch noch bereit ist weiterhin zuzuhören, wenn dir noch was einfällt. Dann gibt er einzig das Gefühl wider, welches bei ihm angekommen ist: „So viele Konflikte an einem Tag – da fühlst du dich bestimmt gerädert.“ Dann hört er wieder zu, wenn du weitersprichst. Und das geht so weiter, bis du alles loswerden konntest.  Du fühlst dich verstanden, erhört, gesehen und getröstet, ohne dass dies verbal ausgedrückt wurde.

Probiere es doch mal aus. Du wirst bald merken, dass es nicht einfach ist zuzuhören, dass es aber oft sehr viel mehr bringt in der Beziehung als der beste Ratschlag.

*Die vorgeschlagene Methode des aktiven Zuhörens ist eine Mischform aus den Modellen von Rogers und Gordon.

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